Dienstag, 8. Mai 2007

Innere Finsternis

Ihre krallenbewehrten Hände schlugen sich um das Geländer der Veranda, und das mit solchem Druck, wie es der Dolch zuvor getan hatte, als er sich einst tief in das Fleisch ihres einstigen Führers gebohrt hatte. Von ihrem Sitz aus, der hoch über der Ebene lag, besah sie sich das Treiben auf dem Grund, auf dem einige ihrer Untertanen jene Droiden konstruierten, die genau dem Bauplan des Imperiums entsprachen, welche sie gestohlen hatte. Noch immer lächelte sie entzückt und mit innerer Zufriedenheit, wenn sie an ihre grandiosen Taten dachte und genau wusste, dass alles, was sie - was Cyem erreicht hatte - ihr zu verdanken war.

"Was glaubt ihr? Wieviele werden sich uns anschließen?", fragte erklang Cyem's Stimme aus dem Komarmband. Eine Spinne krabbelte langsam über das Geländer, ihre rubinroten Augen fixierten das Tier aufmerksam, als sie antwortete: "Gewiss viele, doch es werden mehr sein, wenn ihr das Lager spalten würdet". Der Blutgardist mit den toten mattgrauen Augen hasste dieses Thema; seine Muskeln spannten sich unwillkürlich an und Faeg spürte es, bebte jedoch dieser Reaktion keine Regung nach. Mit den Klauen schnitt sie der Spinne den Weg ab. "Der Dunkle Pfad sollte eine genauso große Rolle spielen wie die Blutgarde, denn - mit Verlaub - braucht die Schattenhand nicht nur Kraft, sondern auch Geist. mein Genius war es, der uns dahin gebracht hat, wo wir sind und das wäre NIE gelungen, wenn ihr nur Blutgardisten in euren Reihen hättet, die keinen Unterschied zwischen Geist und Körper aufweisen können"

Ein raubtierhafter Laut drang durch Cyem's Kehle zu ihr hinüber und mischte sich mit dem Geräusch des gegeneinanderschlagenden Metalls der Droidenproduktion. Er schnaufte wie ein Vulkan, der kurz davor war, sein inneres heißes Temperament boshaft in die Luft zu schleudern: "Gebt Acht auf eure Schlangenzunge, die Blutgarde ist unser Stamm, unsere Hauptgesinnung, alles andere ist nebenrangig!" "Gewiss, und dennoch ist ein Geist - ein denkender - ebenso wichtig", erwiderte sie ohne ihren Blick von den Truppen unter ihr zu nehmen. "Wir sollten uns auf einen Angriff auf das Imperium konzentrieren. alles andere werden wir später besprechen. Finde dich umgehend im Audienzsaal ein.", schloß er die Sache ab. Faeg, die die Spinne mit ihren blutfarbenen Augen die ganze Zeit beobachtet hatte, ließ einen ihrer Finger auf sie hinuntersausen, um sie aufzuspiessen.

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Die Schritte hallten im düsteren, kalten Raum wieder. Staub durchschwebte die muffige Luft des Audienzsaales, der einst Xopherus mit Stolz erfüllt hatte, da er - ihm zufolge - an Pracht und Prunk seiner eigenen Person in nichts nach gestanden hatte. Jetzt erinnerte nichts mehr an den früheren Führer der SchaTTenhanD, alles war verschwunden außer dem großen runden Tisch, den Cyem für sich behalten wollte und auf den der einzelne Lichtstrahl fiel, der aus einem Loch an der Decke geboren wurde. Die große Gestalt Cyem's war in leicht gekrümmter, nachdenklicher Haltung und seine eisgrauen, toten Augen musterten den schwarzen, marmornen Boden. Er sah sein eigenes Spiegelbild in ihm, umhüllt von der Finsternis, die seine Seele ebensosehr beherrschte wie seinen Geist, und die er abgöttisch liebte.

Seine Gedanken kreisten um den nächsten Zug gegen das Imperium, dass sich das erste Mal seit langer Zeit wieder vor der SchaTTenhanD fürchtete. Und Cyem wusste genau, weshalb. Er hatte ihren Droiden, er erwartete eine große Schar Anhänger, die seine schlagkräftige rechte Hand sein würden ... eine Blutgarde, die völlig nach seinen Vorstellungen geformt, gedrillt sein würde. Ein boshaftes Lächeln zeichnete seine großen Lippen, die matten, grauen Augen leuchteten auf, wenn er daran dachte, dass das Imperium ihm gehören würde.

Da öffnete sich plötzlich das Tor seines Saales und er erblickte Faeg . Das kleine, vogelgesichtige Wesen war in einen blutroten Umhang gehüllt, der ihre eigentlich sehr magere Gestalt perfekt verhüllte. Sie glich so eher einem grobgehauenen, kleinen Gargylen. Dennoch, die Anmut ihrer Bewegung und das selbstbewusste Hochhalten ihres kleinen Hauptes waren
unverkennbar königliche Züge. "Ich wusste, dass ich euch hier finden würde, großes Oberhaupt", verkündete ihre arrogante Stimme und wie auf ein Zeichen hin flammten ihre roten Augen auf. Cyem kam ihr lächelnd entgegen und breitete seine Arme zu ihrem Empfang aus, doch sie wich mit einem galanten Schritt zurück. "Ihr wisst, dass ich euch schätze, doch meine Absichten lassen im Augenblick keine freundschaftlichen Tendeleien zu.", zischte sie mit flüsternder, eigenartig klarer Stimme.

Cyem blieb stehen und nahm eine gerade Haltung ein, der ihn wie einen unzerstörbaren Fels erscheinen lies. "Was ist euer Begehr? Geht es immer noch um die Spaltung in zwei Lager?" "So ist es. Ihr wisst, dass die Blutgarde allein nicht weit kommen wird. Wir brauchen weit mehr als vor Muskelkraft und der Vergötterung der Gewalt strotzende Krieger. Eure disziplinarischen Maßnahmen lassen alle Fähigkeiten an den Kriegern und Anhängern wachsen - nur nicht die Fähigkeit zu logischem und strategischen Denken!" "Auch ich bin ein Blutgardist!" "Wahrlich - mit Verlaub - doch ICH habe euch den Weg geebnet, damit ihr zu dem werden KONNTET, was ihr nun seid. Wir brauchen einen Clan, der meinen Prinzipien folgt; dass alleinige Verlassen auf die Kraft des Geistes".

Cyem's Hand schnellte vor und legte sich wie eine eiserne Zange um ihren dürren Hals. "Seht euch vor, mein dünnes Vögelchen ... ich kann euch mit nur wenig Kraftaufwand durchbrechen, als würdet ihr nichts weiter sein als ein kleines Stöckchen. Die Anhänger und Krieger sind mir loyal ergeben, nicht euch. Sie folgen nur mir, NICHT EUCH. Wenn ich über die Spaltung unseres clans nachsinne, dann werde ich es tun, WANN ich es für richtig halte...!" Seine duch den Zorn unendlich bissigen Worte drangen wie Gift in ihren Kopf und hämmerten gleichsam auf diesen ein.

Sie legte beide Hände an seinen eisernen Griff und rang mit aller Macht nach Luft und Beherrschung. Ihre roten Augen funkelten leicht; sie fixierten ihn, als würde er durch sie verbrennen. Dieser Anblick gefiel ihm. "...wir werden erst warten, wieviele sich uns anschließen werden. Wir werden einen Plan entwickeln, der uns das Imperium in unsere Finger legen wird ... dann ... vielleicht ...!" Er ließ sie los und sie keuchte und hustete, während sie ihren Hals massierte, auf denen seine kräftigen Finger Spuren hinterlassen hatten.

Dann drehte sie sich wortlos um und wollte gerade den Saal verlassen, als sie doch stehen blieb und mit dem Rücken zu ihm gekehrt krähte: "Ihr wisst, dass ein Clan wie der des Dunklen Pfades unabdingbar ist. Wir brauchen einen Geist. Er wird die Blutgarde ergänzen. Lasst mich diesen Clan führen ... ihr bleibt das Oberhaupt. Aber ich will den Clan des Dunklen pfades leiten. Und er wird uns gute Dienste leisten." Ohne eine Antwort seinerseits abzuwarten, ging sie hinaus. Er sah ihr hinterher, bis sie nicht mehr zu sehen war. Ein Knurren drang durch seine Kehle, als er daran dachte, dass Suse noch immer lebte. Ihm war dieser Fakt ein Dorn im Auge, ebenso wie Faeg's hochmütige Art. Irgendwann würde er sie noch brechen - irgendwann. Ihr Vorschlag aber war, so wusste er, keinesfalls dumm. Er würde es sich überlegen.

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"Ich werde meinen Willen bekommen", murmelte sie leise in den Wind, denn sie wusste, dass Cyem darüber nachdachte, dem doch zuzustimmen. Er würde dennoch Oberhaupt der SchaTTenhanD bleiben; es war ihr vorerst gleichgültig, solange sie ihren eigenen Clan regieren konnte. Sie hob ihr Haupt in die Luft. Das feine vogelartige Gesicht war in die Ferne gerichtet. Sie lächelte und ahnte nicht, dass Suse sich an ihr rächen wollte, dass ihre Feindin da war, irgendwo und vielleicht gar mächtiger, als sie glaubte.


by Cennet Guelmen

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